Lernfeldarbeit „Industrie 4.0“ in Mechatronik
Die Oberstufe der Mechatronik-Azubis arbeitet aktuell an Lernfeld 11, Industrie 4.0. Klassenlehrer Dr. Peter Schneider erläutert die Bedeutung des Lernfeldes für seine Schüler*innen: „Frequenzumrichterbetriebene Drehfeldmaschinen besitzen für viele Antriebsprobleme wie z.B. elektrische Fahrzeugantriebe, Werkzeugmaschinen oder Roboter bereits jetzt eine sehr große Bedeutung. Diese wird im Zuge der technologischen Transformationen im Rahmen von Industrie 4.0 noch deutlich zunehmen.“
Gründe hierfür sind:
- Steuerung bzw. Regelung von Drehzahl und Drehmoment in einem großen Stellbereich möglich
- hohe Dynamik, d.h. es sind sehr schnelle Geschwindigkeits- und Drehrichtungswechsel machbar
- Möglichkeiten der Positionierung, d.h. der Motor kann nicht nur wie ein normaler Elektromotor drehen, sondern er kann exakt Drehwinkel anfahren und halten
Für Mechatroniker ergeben sich hierbei folgende Aufgabenbereiche:
- Parametrisierung (d.h. Anpassen, Einrichten) der Frequenzumrichter (FU) auf den jeweiligen Motor und das Antriebsproblem
- Fachgerechte Installation der Komponenten
Gerade der zweite Punkt ist anspruchsvoll, da Frequenzumrichter starke Störungen abstrahlen, die die Funktion anderer elektronischer Geräte beeinträchtigen.
Der Bereich der Elektrotechnik, der sich mit dieser Thematik beschäftigt heißt „Elektromagnetische Verträglichkeit“ (EMV). Eine EMV-gerechte Installation ist bei FUs von sehr hoher Bedeutung und auch in Normen vorgeschrieben.
Die Klasse MTO1 hat mit Herrn Dr. Schneider hierzu eine Lernsituation in zwei Schritten durchgeführt:
Schritt 1: Inbetriebnahme eines FU-Antriebs
Zunächst wurde der FU mit dem angeschlossenen Asynchronmotor parametrisiert und der Antrieb in Betrieb genommen. Hierbei war eine lange Liste von Parametern einzugeben und Einmessprozeduren durchzuführen. Bei dieser Tätigkeit mussten wir sehr aufpassen und mehrfach kontrollieren, denn bei falschen Angaben kann der Motor beschädigt werden.
Schritt 2: EMV-Messungen am FU-Antrieb
Anschließend untersuchten wir die Störungen die unser FU-Antrieb in Form von elektromagnetischen Wellen abstrahlt.
Als Messeinrichtung diente ein Digitaloszilloskop mit einer simplen, ca. 0,5 m langen offenen Laborleitung, die als Empfangsantenne für die Störungen diente.
Die Auszubildenden folgendes fest:
- Das Gehäuse des FU ist gut geschirmt; Abstrahlquelle sind die ungeschirmten Motorleitungen.
- Der Störpegel betrug in unmittelbarer Nähe der Motorleitungen bis zu 23 Volt Spitzenwert bei einer Grundfrequenz von 16 kHz. Dies würde mit Sicherheit zu Fehlfunktionen z. B. bei elektronischen Steuerungen führen. Die Störspannung nahm bei Verdopplung des Abstands auf einen Wert zwischen der Hälfte und einem Viertel ab.
- Die Signale waren sehr steilflankig und hatten somit einen hohen Anteil von Oberwellen (Störungen mit einem Vielfachen der Grundfrequenz). Eine quantitative Messung der Oberwellen mit der FFT-Funktion des Oszilloskops ergab einen THD-Wert von ca. 25%, d.h. 25% der abgestrahlten Energie stammt von den Oberwellen, die besonders für elektronische Kommunikationsgeräte kritisch sind. In Niederspannungsnetzen ist übrigens ein THD von maximal 8% zulässig.
Was heißt das für uns bei der Installation von FUs?
- Abstand von Störquellen ist in jedem Fall eine gute Maßnahme zur Reduzierung von elektromagnetischen Störungen
- Leitungen so kurz wie möglich ablängen und insbesondere keine Schleifen (“pigtails“) verlegen
- keine ungenutzten, offenen Leitungen in einer Anlage herumliegen lassen (Antennenwirkung)
- Abschirmung der Motorleitungen ist trotzdem erforderlich! Hierzu haben wir uns die physikalischen Grundlagen erarbeitet und eine entsprechende Abschirmung geplant. Diese wird bis zum kommenden Block hergestellt und wir werden sie dann erproben
- Dr. Peter Schneider